Im Laufe der Zeit, die es meinen Podcast bereits gibt, entwickeln sich auch Gespräche mit Hörern, Kollegen oder Freunden zu dem Thema mit ebendieser Frage.

Vielerorts hört man auch das Argument: Das nur wer sich in Gefahr begäbe auch Gefahr läuft, darin umzukommen.
Das Totschlag-Argument, das Callahan ja nicht alleine segeln hätte müssen oder Frau Koepke diesen einen Flieger nicht trotz aller Warnungen hätte nehmen dürfen.
Meistens entkräfte ich derlei mit dem Hinweis auf den Arbeits- oder Schulweg und die Unfälle, die da passieren können. Oder auf profane Haushaltsunfälle.
Er oder Sie hätte die Leiter eben verrücken müssen, anstatt einen seltsamen Balanceakt zu bewerkstelligen, der scheinbar ein paar Sekunden sparen hätte können.
Meistens lässt sich damit also das Argument „Selber Schuld“ entkräften. Aber am ehesten ist das wichtigere Gegenargument: Was wäre wenn?
Nachher lässt sich einfach klug sein.
Das Problem ist, das niemand der solches von sich gibt, in den Schuhen der Menschen läuft, um die sich meine Geschichten drehen. Man müsste zuhause auf der Couch sitzen bleiben, nur um jeder Gefahr aus dem Wege zu gehen.

Ralston ist passionierter Bergsteiger. Er verbrachte um die Zeit seines Unfalles nahezu jede freie Minute auf Wanderungen, selbst sein damaliger Job als Verkäufer in einem Laden für Wanderausrüstungen, dreht sich nur im seine Passion.

Julianes Eltern lebten in Peru als Naturforscher, in ihrem Leben spielte und spielt der Dschungel um Panguana eine herausragende Rolle.

Callahan segelte für sein Leben gerne, er baute sich sogar sein Boot selbst, das sich in Regatten und Ozeanüberquerungen auch als standfest und robust konstruiert bewies.

So wie ein Bauarbeiter, der das meiste seiner Lebenszeit auf Baustellen verbringt, am ehesten in Gefahr läuft, sich ebendort zu verletzen, sind die genannten Menschen dort verunglückt, wo sie ihre meiste Zeit verbrachten.

Ich lasse bewusst Leidenschaft oder Profession aus und breche meine Argumentation auf Zeit herunter, denn natürlich verbringt man dort am meisten Zeit, wo ich auch Leidenschaft und/oder Profession dazu habe. Ich setze also voraus, das der Begriff Zeit auch dies beinhaltet.

So also ist es nur natürlich und eine logische Folge, dort einen Unfall zu erleiden, wo ich die meiste Zeit verbringe. Ich sehe vollkommen, das diese Argumentation auch ein Hinkebein hat. Jene Menschen, die als Touristen bei dem Tsunami damals in Indonesien verunglückten, verbrachten wohl kaum ihre meiste Zeit dort. Allerdings ist zu sagen, das der Großteil der Opfer dort Einheimische waren. Dennoch will ich nicht außer Acht lassen, das viele Katastrophen einfach als Unglück passieren. Unglück ist das Gegenteil von Glück und damit dem Zufall zuzuordnen.

Aber ob nun die Zeit der auslösende Faktor ist oder das Unglück, das man hat – keinesfalls ist die Argumentation, das man sich halt nicht in Gefahr begeben sollte, um darin nicht umzukommen, stichhaltig.

Ralston oder auch Callahan haben ihre Touren bestens geplant und vorbereitet, während Juliane und die Kinder in der Höhle Thailands einfach in ihre Abenteuer geworfen wurden.
Für alle gilt jedoch, das deren Unglück dort zuschlug, wo sie sich am meisten aufhielten, so sie lebten – simpel: wo sie ihre meiste Zeit verbrachten.

Beste Vorbereitung und Planung kann die Folgen eines Unfalles lindern, nicht jedoch einen Unfall selbst verhindern. Anders bei dem Menschen, der auf einer Küchenleiter balanciert, und den einen Haken noch einhängen will, obwohl die Hände die Stelle an sich nicht mehr erreichen.
Das ist schlicht leichtsinnig und fordert einen Unfall geradezu heraus.

Und das ist der Punkt.

Forderte Callahan es heraus, das er mit seinem Boot in einen Sturm geriet und ausgerechnet an diesem einen Punkt, wo er war, von all den Millionen Möglichkeiten im Atlantischen Ozean, ein Walfisch die aufgewühlte See durchbrach um dieses Boot in Grund und Boden zu rammen?

Er hatte im Golf von Biskaya schlimmere Stürme überstanden, das Boot war mehr als tauglich dafür.
Hatte er das Schicksal herausgefordert?
Einen verrückten Balanceakt auf der Küchenleiter gewagt, weil er zu faul war, einen Schritt zurück zu gehen und sich neu zu positionieren?

War es das Schicksal, die Vorsehung, das Los oder Kismet – einfach Karma oder gar ein gutgesinnter Gott, der ihn auf seine Überlebensfahrt schickte?
Jemand oder etwas, das den Walfisch so lenkte, das er Callahans Napoleon Solo rammen sollte?
Er war alles andere als leichtsinnig im Gegensatz zu der Person, die sich beim Wechsel der Glühbirne das Genick bricht.

Ich glaube nicht an Schicksal.
Oder Karma.
Das setzt eine willentliche Kraft voraus, die für jeden von uns einen Weg vorzeichnet, den wir zu gehen haben, ob wir das nun so wollen, oder nicht.
Und das widerspräche den religiösen Vorstellungen eines freien Willens. Und es würde dem Walfisch seiner Freiheit berauben, dort zu schwimmen wo er das möchte.

Ich glaube an Zufall.
Es passiert einfach.
Selbst eine Chance von 1:1.000.000 ist eine Chance die eintreten wird.
Es stellt sich nicht die Frage ob dieser Fall eintritt, sondern nur: Wann ist es soweit?
Alles, was passieren kann, wird passieren – es ist nur eine Frage der Zeit und ob man es erlebt, wenn es passiert.

Dem zugegebenermaßen tröstlichen Gedanken, das jemand uns nur die Steine in den Weg legt, die wir auch überwinden können, damit wir daran wachsen, kann ich nichts abgewinnen als dies:
Wir Menschen sind in der Lage alles zu überwinden. Jede Schwierigkeit, jedes Problem.

Letztlich stellt sich dann nur die Frage:
Warum tun wir das nicht?

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